Die Hintergründe: Erfolgsmodell Ringzug
Der 2003 gestartete Ringzug hat inzwischen noch die letzten Kritiker überzeugt: Neue Haltepunkte in dichtem Abstand, bequeme Regio-Shuttles und ein auf die Schiene abgestimmter Busverkehr führen zu stetig steigenden Fahrgastzahlen und zu unerwartet hohen Einnahmen. 2005 erwirtschaftete der Zweckverband Ringzug erstmals einen Überschuss und der ehemalige Tuttlinger Landrat Guido Wolf wurde nicht müde, den Ringzug als "Goldesel" des Landkreises zu bezeichnen.
Der Ringzug in Tuttlingen: Licht und Schatten
Für den Ringzug-Betrieb wurden in Tuttlingen die Haltepunkte "Tuttlingen Schulen", "Tuttlingen Gänsäcker", "Möhringen Bahnhof" und "Möhringen Rathaus" neu eingerichtet bzw. reaktiviert. Zusätzlich bestanden neben dem Bahnhof Tuttlingen ebenfalls die schon 1990 mit dem "Donautal-Konzept" des Landkreises Tuttlingen eingerichteten Haltepunkte "Tuttlingen Zentrum", "Tuttlingen Nord" und "Nendingen". Somit hatte Tuttlingen 2003 plötzlich acht Bahnhaltepunkte, eine riesige Verbesserung gegenüber der Zeit vor dem Ringzug. Allerdings werden von diesen acht Haltepunkten derzeit nur fünf im Taktverkehr bedient. Auf der Donautalbahn östlich von Tuttlingen Bahnhof hat sich nämlich mit dem Ringzug-Start 2003 so gut wie nichts getan. Die Haltepunkte "Zentrum", "Nord" und "Nendingen" blieben somit im Verkehrsschatten. Derzeit fahren gerade mal sechs Zugpaare diese Haltepunkte an. Der Großteil des öffentlichen Verkehrs erbringt hier auch weiterhin die parallel verlaufende Buslinie 50 (Tuttlingen - Sigmaringen). Am Wochenende ruht der Schienenverkehr hier sogar ganz. Nirgends im Ringzug-Gebiet ist der selbst verkündete Anspruch, "S-Bahn für den ländlichen Raum" zu sein, so weit von der Realität weg wie hier.
Die Idee: Mit dem Ringzug in die Tuttlinger Innenstadt
Dass gerade die Donautalbahn zwischen Tuttlingen Bahnhof und Fridingen so im Verkehrsschatten des Ringzugs liegt, ist aus Tuttlinger Sicht mehr als unverständlich. Denn die "Fridinger Strecke", wie sie in Tuttlingen auch gelegentlich genannt wird, erschließt große Teile des Tuttlinger Stadtgebiets. Am Poststeg führt die Strecke zudem sehr nah an die Innenstadt und die Fußgängerzone heran. Links und rechts der Strecke liegen Wohngebiete sowie das Industriegebiet Nord, in dem sich unter anderem auch der zweitgrößte Arbeitgeber, die Fa. Karl Storz Endoskope, befindet. Kein Schienenstrang in Tuttlingen wäre so interessant wie diese wenig befahrene Strecke. Warum also hier nicht den Ringzug in einem dichten Takt fahren lassen?
Stadtbahn auf vorhandener Infrastruktur
Gerade diese Strecke zur Erschließung des Tuttlinger Stadtgebiets zu nutzen, bietet sich geradezu an, denn die Schienen liegen. Nötig wären zusätzliche Haltepunkte und ein attraktiver Zugverkehr und nicht nur sechs Ringzüge am Tag wie heute. Mit Haltepunkten im Abstand von 500 Metern könnte man auf diesem Streckenabschnitt einen attraktiven Ringzugverkehr fahren, der das Prädikat "Stadtbahn" tatsächlich verdient hätte. Dafür müsste man in Ergänzung der vorhandenen acht Halte folgende Haltpunkte einrichten:
Haltepunkt Poststeg - Stadtmitte
Warum es diesen Haltepunkt nicht schon längst gibt, ist unbegreiflich. Hier führt die Schiene so nah wie nirgends an die Innenstadt und an die Fußgängerzone. Der dort gelegene und eigentlich immer volle Donauspitz-Parkplatz zeigt wie groß das Fahrgastpotenzial gerade hier ist. Mit dem Ringzug von Spaichingen, Fridingen oder Geisingen direkt in die Tuttlinger Innenstadt: mit der Stadtbahn und einem Halt am Poststeg wäre dies möglich. Das lästige Umsteigen vom Zug auf den Stadtbus am Bahnhof entfiele.
Haltepunkt Albert-Schweitzer-Schule
Dieser Haltepunkt wäre für weit mehr als nur die Schüler und Lehrer der Albert-Schweitzer-Schule interessant. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch die Firma Berchtold mit hohem Pendlerpotenzial. Ebenfalls wäre dieser Haltepunkt für die Besucher von Stadthalle und Scala-Kino interessant. Links und rechts dieses Haltepunkts erstrecken sich ebenfalls Wohngebiete mit entsprechendem Fahrgastpotenzial.
Haltepunkt Schmelze
Ca. 500 Meter vom bereits vorhandenen Haltepunkt Tuttlingen-Nord, der für Pendler ins Industriegebiet Nord wichtig werden könnte, wäre ein Haltepunkt in der Schmelze sinnvoll, um dieses Wohngebiet ebenfalls an die Stadtbahn anzuschließen. Auch hier gibt es Firmen mit entsprechendem Pendlerpotenzial.
Mit diesen drei zusätzlichen Haltepunkten hätte man in Tuttlingen ein System von insgesamt 11 Bahn-Haltepunkten geschaffen, die man durch ein intelligentes Stadtbahn-System miteinander verbinden müsste. Zur Erinnerung: Heute gilt in Tuttlingen die Formel: 5 +3. Fünf Haltepunkte werden ordentlich im Stunden-Takt bedient, drei Haltepunkte nur sehr schlecht und unregelmäßig. Ziel muss es sein, das Tuttlinger Stadtgebiet in dichtem Takt und 11 Haltepunkten zu erschließen und diese Halte mit den Ringzug-Haltepunkten des Umlands zu verbinden.
Vorteile für Nendingen, Stetten, Mühlheim, Fridingen und bis Sigmaringen
Mit dem Stadtbahnkonzept würde das Donautal endlich einen vernünftigen Schienenanschluss an Tuttlingen bekommen.
Heute brauchen die Busse zwischen Tuttlingen und Fridingen 40 Minuten, die wenigen verkehrenden Ringzüge aber nur 16 Minuten.
Mit der Stadtbahn würden die Züge wegen der zusätzlichen Halte im Tuttlinger Stadtgebiet 18 Minuten brauchen. Die Stadtbahn könnte so die
Fahrzeit des heutigen Busses mehr als halbieren und wäre gegenüber den Fahrzeiten mit dem PKW insbesondere im staugeplagten Berufsverkehr
äußerst konkurrenzfähig. Dieses deutlich verbesserte Angebot würde zu vielen Umsteigern vom Auto auf die Stadtbahn führen.
In Mühlheim-Stetten liegt der Haltepunkt ideal zur Besiedlung, so dass hier alle Fahrgäste die Stadtbahn fußläufig erreichen können.
In Mühlheim und Fridingen ist die Lage allerdings anders. Hier müssen die bereits heute für die Donautal-Ringzüge bestehenden
Zubringerbusse dem neuen Angebot der Stadtbahn angepasst werden.
Mühlheim
In Mühlheim wird die Linie 18 zum Zubringerverkehr
für die Stadtbahn ausgebaut. Bei Ankunft der Stadtbahn fahren zwei Busse ab: Einer bringt die ankommenden Fahrgäste in die verschiedenen Wohnbezirke der Stadt.
Der andere Bus verkehrt gleich direkt über Kolbingen und Renquishausen nach Königsheim. Von Königsheim geht es dann wieder zurück nach Mühlheim zur Stadtbahn und direkt weiter als Stadtverkehr Mühlheim zu den wichtigsten Zielen in der Stadt.
So sind nicht nur alle Mühlheimer Stadtbezirke sondern auch Kolbingen, Renquishausen und Königsheim an die Stadtbahn angeschlossen. Die Fahrzeit von Königsheim nach Tuttlingen verkürzt sich beispielsweise von heute 56 Minuten mit dem Bus
auf 40 Minuten mit Stadtbahn und Busanschluss, so dass nicht nur die Stadt Mühlheim durch die Stadtbahn gewinnt, sondern eben auch Kolbingen, Renquishausen und Königsheim.
Fridingen
Ähnlich wie Mühlheim würde auch der Buszubringer in Fridingen funktionieren. Bei Ankunft der Stadtbahn fährt ein Bus den Stadtverkehr Fridingen. Der andere verkehrt nach Bärenthal und Irndorf und schließt diese Gemeinden an die Stadtbahn an.
Die Fahrzeit von Tuttlingen nach Irndorf würde sich so von heute 1 Stunde 2 Minuten auf 42 Minuten verkürzen, so dass neben Fridingen auch Bärenthal und Irndorf zu den Gewinnern der Stadtbahn zählen würden.
Nendingen
Nendingen würde durch einen direkten Stadtbahnanschluss ebenfalls erheblich profitieren. Da aber große Teile von Nendingen ungünstig zum vorhandenen Haltepunkt liegen, würde es sich anbieten, Nendingen wie Möhringen zusätzlich auch an das Tuttlinger Stadtbussystem anzuschließen.
Donautal bis Sigmaringen
Im relativ dicht besiedelten Donautal zwischen Tuttlingen und Fridingen ist bei der Stadtbahn ein Stunden-Grundtakt vorgesehen, der zu den Hauptverkehrszeiten zu einem Halb-Stunden-Takt verdichtet wird.
Dafür wird die Buslinie 50 als parallel zur Bahn verlaufende Linie aufgegeben und abseits der Schiene liegende Orte per Buszubringer an die Stadtbahn angeschossen.
Östlich von Fridingen nimmt die Siedlungsdichte jedoch stark ab. Hier wäre eine Fortführung der Stadtbahn bis Sigmaringen im 2-Stunden-Takt sinnvoll.
Dies würde dazu führen, dass es von Tuttlingen aus in Kombination mit dem schnellen ebenfalls im 2-Stunden-Takt verkehrenden Interregio-Express (IRE) einen stündlichen Zug nach Sigmaringen geben würde.
Das Angebot zu heute würde sich also verdoppeln. Beuron und Hausen im Tal würde nicht mehr vom IRE bedient sondern im 2-Stunden-Takt von der Stadtbahn. Zusätzlich können die heute stillgelegten Haltepunkte
Thiergarten (Hohenzollern), Gutenstein und Inzigkofen reaktiviert werden, so dass diese Orte durch das Stadtbahn-Konzept wieder Anschluss an die Eisenbahn bekommen würden. Insgesamt würde so das ganze Donautal bis Sigmaringen vom Stadtbahn-Betrieb profitieren.
Dafür muss allerdings der Landkreis Sigmaringen ebenfalls mit bei der Stadtbahn einsteigen, der im Gegenzug die Buslinie 50, die heute parallel zur Bahn verläuft, nicht mehr finanzieren müsste.
Denn dieser Verkehr würde dann durch die Stadtbahn übernommen, die wesentlich kürzere Fahrzeiten als der Bus bieten kann.
Mögliche Angebotskonzepte
Es gibt verschiedene Modelle, wie man ein System von 11 Tuttlinger Haltepunkten miteinander verbinden könnte. Hier mögliche Varianten:
Flügelungskonzept am Bahnhof Tuttlingen
Alle Ringzüge aus Rottweil fahren nur noch in Doppeltraktion (also zwei Wagen aneinander gekoppelt) nach Tuttlingen. Am Tuttlinger Bahnhof angekommen, wird dann "geflügelt". Das heißt, ein Zugteil fährt wie gewohnt weiter Richtung Blumberg und erschließt dabei auch weiterhin Möhringen. Der andere Zugteil fährt dann aber die Stadtbahn-Strecke nach Osten weiter und hält in Tuttlingen-Zentrum an den Gymnasien, am neuen Haltepunkt "Poststeg" und damit in der Innenstadt, an der Albert-Schweitzer-Schule, in Tuttlingen-Nord vor den Karl Storz-Toren, an der Schmelze sowie in Nendingen, Mühlheim-Stetten, Mühlheim und Fridingen. Mit diesem Modell wäre es also möglich, z.B. von Rottweil, Spaichingen, Fridingen direkt in die Tuttlinger Innenstadt und ins Industriegebiet Nord zu fahren. Heute noch unmöglich!
Innerstädtische Stadtbahn-Linie
Zusätzlich zum Flügelungskonzept wäre es möglich, eine rein innerstädtische Linie zwischen Nendingen und Möhringen einzurichten. Dafür müssten Bahnhöfe (mit Ausweichgleisen) in Möhringen und Nendingen gebaut werden. So könnten Züge zwischen Möhringen und Nendingen pendeln und diese Stadtteile in ca. 10 Minuten bei 10 Halten miteinander verbinden. Zur Erinnerung: Mit dem Auto braucht man dafür heute 20 Minuten, mit den Stadtbussen deutlich länger.
Donautallinie
Alternativ wäre auch eine Ringzug/Stadtbahn-Linie von Sigmaringen oder Fridingen über Nendingen, Tuttlingen-Nord, Tuttlingen-Innenstadt- Tuttlingen Bahnhof - Möhringen - Immendingen weiter nach Donaueschingen denkbar. Da ein Ringzug-Lückenschluss zwischen Immendingen und Donaueschingen sowieso dringend notwendig ist, wäre hier der Reiz, den Ringschluss mit der Tuttlinger Innenstadterschließung zu verbinden. Mit dem Ringzug also nicht nur direkt von Donaueschingen nach Tuttlingen, sondern direkt und umsteigefrei in die Tuttlinger Innenstadt.
Sinnvoll wäre innerstädtisch ein 30-Minuten-Takt durch Überlagerung von zwei Linien. Mehr wird wegen der Eingleisigkeit der Strecke vorläufig nicht möglich sein.
Voraussetzung für den Stadtbahn-Betrieb: Neigetechnik-Ertüchtigung
Voraussetzung für den Stadtbahn-Betrieb wäre eine Ertüchtigung der Donautalbahn zwischen Sigmaringen und Tuttlingen für den Neigetechnik-Betrieb. Zwischen Sigmaringen und Ulm konnte die Donautalbahn durch Neigetechnik schon wesentlich beschleunigt werden. Wenn die Deutsche Bahn dies wie vorgesehen auch zwischen Sigmaringen und Tuttlingen macht, wären interessante Zeiten auf der Strecke frei für zusätzlichen Verkehr und eine Stadtbahn so möglich. Mit einer Neigetechnik-Ertüchtigung würde man also nicht nur die Achse Freiburg - Tuttlingen - Ulm beschleunigen, sondern gleichzeitig die Voraussetzung für die Tuttlinger Stadtbahn schaffen.
Bildnachweise:
*Urheber des Ringzugstreckenplan auf dieser Seite ist Ssch. Die Datei Steht unter der Lizenz "Creative Commons 3.0".
Der Lizenztext ist hier verfügbar.
Die Orginaldatei ist hier zu finden.
*Quelle der Stadtbahngrafik ist OpenStreetMap, modifiziert von Lencer. Die Datei steht unter der Lizenz Creative Commons Share Alike 2.0.